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Alexander Langer Preis 2009 BEGRÜNDUNGEN

11.6.2010, Fondazione Alexander Langer Stiftung

Der Internationale Alexander-Langer-Preis 2009 geht an Narges Mohammadi, Iran. Begründung

Narges Mohammadi, 1972 in Zanjan geboren, hat als Kind das von Hoffnung geprägte Klima des Revolutionsjahres 1979 miterlebt, in dem sich anfänglich das soziale Aufbegehren eines geschichts-, kultur – und ressourcenträchtigen Landes widerspiegelte. 1988, am Ende des Krieges gegen den Irak von Saddam Hussein, als die kriegsgebeutelte, verarmte Bevölkerung begann, mehr Freiheit, mehr Demokratie sowie wirtschaftliche und soziale Reformen zu fordern, war sie 16.

Während der Studienjahre – ihr Hauptfach war Physik – gründete sie die Studentenvereinigung Roshangaran („Die Intellektuellen“), schrieb Beiträge für unabhängige Zeitungen, in denen sie für die Frauen- und die Studentenrechte plädierte, und wurde zwei Mal verhaftet, weil sie an Versammlungen teilgenommen hatte, die als illegal erachtet wurden. In dieser Zeit wird mit Mut begonnen, über die Folgewirkungen einer Ideologie nachzudenken, die auch die gewaltlosen Unterstützer der Rechte und der Beteiligung des Volkes an den politischen Entscheidungen als gefährlich erachtet. Dabei handelt es sich um Personen, die tiefe Achtung vor dem Glauben haben und gerade deswegen der Meinung sind, dass dieser nicht mit dem sich etablierenden theokratischen Modell identifizieren könne.

Im Jahre 2001 heiratete sie Taghi Rahmani, den sie als Dozent an der Universität kennengelernt hatte. Mittlerweile haben sie zwei Kinder, Zwillinge. Rahmani wurde gleich nach der Hochzeit verhaftet und konnte erst nach zwei Jahren Präventivhaft den Grund seiner Verhaftung in Erfahrung bringen. Wegen seiner Ideen hat er bisher ein Drittel seines Lebens im Gefängnis verbracht.

Die wiederholten Verhaftungen ihres Mannes haben Narges Mohammadi dazu bewogen, sich verstärkt für die Häftlinge einzusetzen, besonders für jene, die wegen Meinungsdelikten verhaftet und oft ohne genauer Anklage, ohne Beweise und ohne Rechtsbeistand festgehalten werden. Sie wurde Journalistin und verfasste Artikel für reformistisch orientierte Zeitungen, wie z.B. Hajar, in denen sie sich für die Gleichheit aller Bürger, unabhängig von deren Geschlecht, deren religiöser Überzeugung oder politischer Zugehörigkeit stark machte. Narges Mohammadi wurde zwei weitere Male inhaftiert. In der Folge wurde ihr die Teilnahme an offiziellen Expeditionen untersagt und sie musste auf ihre Leidenschaft der Jugendjahre für die Berge verzichten.

Narges wird enge Mitarbeiterin von Shirin Ebadi, Friedensnobelpreisträgerin 2003, und Vizepräsidentin und Sprecherin des Defenders of Human Rights Center (Zentrums für die Verteidigung der Menschenrechte), das Hunderte von Dissidenten Rechtsbeistand zusichert. Nach der illegalen Schließung des Zentrums am 21. Dezember 2008 hat die internationale Presse ihre Anklagen und Proteste veröffentlicht und gleichzeitig die breite Anerkennung gezeigt, deren sich das Zentrum erfreut.

Am 7. September 2008 wurde Narges Mohammadi zur Vorsitzenden des Ausschusses (implementation task force) des National Peace Council (Nationaler Friedensrat) gewählt. Dieser Rat ist eine breite Koalition gegen eine mögliche militärische Auseinandersetzung, der Frauen und Männer mit unterschiedlicher Lebensgeschichte, Schriftsteller, Künstler, Juristen, Aktivisten/Aktivistinnen, StudentInnen, Gewerkschaftler sowie Vertreter verschiedener ethnischer Minderheiten und politischer Gruppierungen angehören. Dieser Rat widersetzt sich jeglicher militärischer Logik sowie der Anwendung von Gewalt als logische Konsequenz und lehnt streng bewaffnete Präventivinterventionen gegen den Iran ab, die keine Lösung der Atom-Krise herbeiführen würden und hingegen den gesamten Persischen Golf destabilisieren und dabei die Situation der Menschenrechte weiter verschlimmern könnten. Der National Peace Council will der Welt zeigen, dass es auch einen „anderen Iran“ gibt, der sich gegen jegliche Gewaltaktion stellt und sich für den Aufbau des Friedens, die Sicherheit, die Stabilität und das Wohlbefinden einsetzt. Narges ist überzeugt, dass die iranische Bevölkerung einen demokratischen Wandel und die Einhaltung der Menschenrechte ersehnt: „Das ist nicht ein Problem, das nur eine Elite betrifft, sondern vielmehr die ganze Nation.“ Am 8. Mai 2009 auf der Fahrt nach Guatemala wurde ihr der Reisepass entzogen und die Ausreise verweigert. Nur aus der Presse konnte sie erfahren, dass sie der „Propaganda gegen die islamische Republik“ beschuldig wird.

Die letzte Wortmeldung von Alexander Langer im Europaparlament, am 29. Juni 1995, galt der Unterstützung der Frauen in Algerien, die im antikolonialen Befreiungskrieg eine wesentliche Rolle gespielt hatten und ihre schwer errungenen Rechte gefährdet sahen. Seither haben verschiedene Langer-PreisträgerInnen, zusätzlich zu ihrer wertvollen persönlichen Erfahrung, ein Netz glaubwürdiger Gesprächspartner bzw. freundschaftlicher und sozialer Beziehungen mit dem dialogsuchenden Teil des Islams in die Stiftung eingebracht: Khalida Toumi Messaoudi, die weiterhin auf ihre Freiheit besteht, gleichzeitig Berberin und Algerierin, Muslimin und Rationalistin zu sein; die Kosovarin Vjosa Dobruna, die es verstanden hat, auch in den schwierigen Momenten ihre Beziehungen zu ihren serbischen Freundinnen nicht zu unterbrechen; der Palästinenser Sami Adwan, der zusammen mit dem Israeli Dan Bar-On versucht hat, die jeweiligen Gründe für einen allzu lang andauernden Konflikt darzulegen, zu erhellen und gegenüberzustellen; die aus Srebrenica geflüchtete Irfanka Pasagic, die in ihre Stadt zurückgekehrt ist, um dort die Samen der Wahrheit und des Dialogs wachsen zu lassen; das Wunder der „Oase“ in Somalia, das Dorf Ayuub, das von Maana Suldaan mit Elio Sommavilla, also von einer muslimischen Frau und einem katholischen Priester errichtet wurde.

Und nun heißen wir Narges Mohammadi, in dieser Konstellation von MediatorInnen, Brücken­bauerInnen, MauerspringerInnen, GrenzgängerInnen und HoffnungsträgerInnen herzlich willkommen!

 

pro dialog