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"Helsinki citizens' Assembly - Interessantes Gegenstück zu unserem grünen Europa-Parlament

25.6.1990, Zur Information an die grüne Fraktion im E.P.
Am 23.-24.Juni 1990 habe ich in Prag am vorbereitenden Treffen der "Helsinki Citizens Assembly" teilgenommen, die auf der Grundlage des "Prager Appells 1990" vom 19. bis 21. Oktober 1990 in Prag (unter der Schirmherrschaft des Präsidenten Havel, in geeigneter Form) stattfinden wird.

Beim Vorbereitungstreffen waren ungefähr 70-80 Leute aus fast allen KSZE-Staaten anwesend, die im großen und ganzen aus der Friedensbewegung und END-Convention, dem "East-West-Dialogue-Network" und den nationalen Korrespondenzgruppen der "Helsinki Citizens' Assembly" stammten. Den Vorsitz führten Jaroslav Sabata (CSFR), Mary Kaldor (GB), Jan Mient Faber (NL), Tomasz Masnak (?)(YU), anwesend waren u.a. der außenpolitische Berater des Präsidenten Havel, Sasa Vondra; Jan Kavan von "Charta 77"; Dieter Esche (East-West-Dialogue); Gert Weisskirchen (SPD/MdB); Tom Benetollo u. Raffaella Bolini (Associazione per la pace); Marko Hren (Independent voices of Jugoslavia); Reinhard Bütikofer (grünes MdL/Baden Württemberg); Christa Merkel (Pax Christi). Ich habe im eigenen Namen und aufgrund meiner bisherigen Mitarbeit in diesem Rahmen, nicht für die Fraktion teilgenommen.

Die Hauptschwierigkeit des Treffens bestand darin, eine unter noch ganz anderen Vorzeichen entstandene Idee - nämlich die demokratische Europas von unten her und mit den Kräften der "civil society" zu befördern und dazu eine unabhängige Bürgerversammlung aus dem gesamten KSZE-Bereich einzuberufen - heute in aktueller Weise umzusetzen. Ein Teil der Kräfte der "civil society", die am Entstehen dieser Idee beteiligt waren, sind nämlich heute an der Regierung (Tschechoslowakei, Polen, Ungarn, Slowenien, baltische Republiken). Präsident Havel ist das beste Beispiel dafür, und hat ja auch eine solche Idee sowohl bei seinem Treffen mit Lech Walesa (27.3.90) als in seiner Rede vor dem Europarat (10.5.) ausdrücklich unterstützt. Die Grenzen zwischen politischer Repräsentation oder gar Machtausübung und "civil society" sind nicht mehr so klar festzumachen. Außerdem gibt es die üblichen, im grünen Bereich genugsam bekannten Probleme jeglicher Einladungs- und Veranstaltungspolitik: die Quoten der verschiedenen Kategorien und Staaten, die Festlegung der Redner/innen, usw., und den Konflikt zwischen größtmöglicher "interner" Repräsentativität und entsprechender Wirksamkeit nach außen.

Schlußendlich einigte man sich auf folgendes Konzept: die Bürgerversammlung (die sich als Ansatz zu einer neuen ständigen Institution versteht) wird von einem Komitee und Arbeitsgruppen vorbereitet, wobei die Einladungen zum größten Teil - etwa 600 - auf nationaler Ebene (nach Quoten), zum geringen Teil vom Prager Sekretariat aus erfolgen werden. Man erwartet eine Teilnahme von etwa 750 Personen, man wird sich auch um einige prominente und "inspiring" Sprecher/innen bemühen. Die Themenkreise wurden folgendermaßen festgelegt: 1) Entmilitarisierung der Gesellschaften und Friedenspolitik; 2) ökonomische und ökologische Zusammenarbeit; 3) Nationalismus, Rassismus, Xenophobie v/s Föderalismus; 4) Menschenrechte und Minderheitenrechte.

Ich habe unser Grünes Europaparlament vorgestellt, Jan Kavan zur Teilnahme daran eingeladen und eine Interaktion zwischen dem Grünen Europaparlament, der "Helsinki Citizens Assembly" und möglicherweise der END-Convention (die ja zur gleichen Zeit mit unserem grünen EP in Helsinki und Tallinn zusammentritt) in Aussicht gestellt, da sich ja alle drei Zusammenkünfte in einer sehr verwandten Perspektive bewegen. So wurde dies auch positiv aufgenommen.

Die tatsächliche Relevanz der HCA ist noch nicht ganz abzuschätzen und wird in hohem Maße davon abhängen, wieweit eine gute Synthese zwischen regierungsunabhängiger Teilnahme und tschechslowakischer Regierung, bzw. dem Prager "Bürger-Präsidenten" zustandekommt und sich auch medienmäßig als gewichtig vermitteln läßt. Die Interaktion zwischen "civil society" und Institutionen wurde von allen als sehr wichtig angesehen, der europäische Integrationsprozeß ebenfalls (über die EG hinaus, aber mit der EG als dem am weitesten entwickelten Ansatz; einige Osteuropäer hatten Aufkleber mit den 12 Sternen und "my country is Europe"). Da jetzt diese "Helsinki Citizens' Assembly" - die unabhängig davon geplant war - zeitlich sehr in die Nähe des Beginns von "Helsinki II-KSZE" fallen dürfte, wird man sich bemühen, sich an die offizielle KSZE II zu wenden. Die Errichtung eines KSZE-Parlaments wurde von manchen Rednern als wünschenswert bezeichnet.
pro dialog