Alexander Langer Alexander Langer Schriften - Alexander Langer Südtirol - Alto Adige

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Stallgeruch

1.10.1987, Aus: Skolast Nr. 3
Stimmt es, daß sie jeglicher obrigkeit abhold sind und trifft es zu, daß sie gesetze und verbote als unzumutbare zwänge einstufen?

wir haben gehört, sie würden den unterricht zur verführung mißbrauchen - geistig, zumindest.
überkommene vorstellungen, wie sie uns heilig sind,
sollen für sie nichts gelten
und in den köpfen der schüler stiften sie verwirrung, sodaß sie gut und böse nicht mehr unterscheiden können.
sie werden verstehe, daß wir um unsere kinder besorgt sind.
lehren sie lieber anderswo, muß es grad bei uns sein

sprach der besorgte elternrat,
angeführt von einem laubenkaufmann und einem rechtsanwalt,
als im jahre 1973 meine rückversetzung nach bozen
an das ihnen werte gymnasium rechtens anstand
und nicht zu vermeiden schien.

nur zwei fragen wagten sie nicht offen zu stellen,
obwohl sie ihnen von der stirn abzulesen waren.
"ist ihr sexualleben abartig?"
"glauben sie an gott?"
(abartig meinte ausschweifend
und die koschere antwort auf die zweite
frage
hätte JA gelautet.)

stimmt es, daß du mit konsvervativen und kirche paktierst?
Und trifft es zu, daß du die einheit der linken sprengen willst?
wir haben gehört, du würdest politischen einfluß zur verführung mißbrauchen - ideologisch, zumindest.
überkommene vorstellungen, wie sie uns heilig sind,
sollen für dich nichts gelten
und in den köpfen der massen stiftest du verwirrung, sodaß sie gut und böse nicht mehr unterscheiden können.
du wirst verstehe, daß wir um die genossen besorgt sind.
Muß diese verunsicherung grad bei uns sein?

sprach der besorgte hohe rat der vereinigten linken,
versammelt in der skolast-redaktion,
als im jahre 1987 von grünen, konservativen, gewerkschafts-austritt
und anderem die rede war
und nicht mehr zu bannen schien.

nur zwei fragen wagten sie nicht offen zu stellen,
obwohl sie ihnen von der stirn abzulesen waren.
"ist dein sexualleben abartig?"
"und - glaubst an gott?"
(abartig meinte keusch
und die koschere antwort auf die zweite
frage
hätte NEIN gelautet.)

das urteil war in beiden prozessen schon vorher
in ihren gazetten gestanden.
doch einen weiteren unterschied gab's:
im volkstribunal war man
per du.

Oktober 1987
pro dialog