Alexander Langer Alexander Langer Schriften - Alexander Langer Südtirol - Alto Adige

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Andreas Hofer, die Franzosen und wir

1.3.1984, tandem
Es ist kein Zweifel, daß sich die alternativen oder linken Tiroler mit den Andreas-Hofer-Feiern schwer tun. Bei anderen Anlässen mag es vielleicht gelingen, den offiziell Gefeierten irgendwelche Anti-Helden entgegenzusetzen: den Oberen das gemeine Volk, den Jasagern die Neinsager, den triumphierenden Siegern die hingemetzelten Fußsoldaten...

Wenn man an die Andreas-Hofer-Zeit denkt, ist es eigentlich unmöglich, annehmbare Identifikationsfiguren zu finden. Man möchte nicht so ganz hinter dem Sandwirt stehen, der im Namen der kaiserlichen und katholischen Wiederherstellung der guten alten Zeit gegen den aufklärerischen und revolutionären Zeitgeist kämpfte muß aber anerkennen, daß da echte Partisanen ohne Rücksicht auf die große Staatsräson ihre Heimat gegen Eroberer und Unterdrücker verteidigt haben. Man möchte erst recht nicht hinter den französisch-bayerischen Besatzern stehen, obwohl man schwer umhin kann, so manche aufklärerische und reformerische Maßnahme gutzuheißen, insbesondere wenn man an die kaiserlich-metternichsche Reaktion nach dem Wiener Kongreß denkt. Der fanatische Haspinger und der diplomatische Bischof Lodron, der ausweglose und treuherzige Wirt an der Mahr oder die vielen anderen minderen Gestalten der Heldenzeit keine paßt so recht auf unsere Altäre.

Am ehesten noch jener Andreas Hofer, der vom eigenen Kaiser verraten und von den Franzosen gejagt trotz der Aussichtslosigkeit der Lage den Aufstand nicht aufgeben wollte, obwohl er eindeutig zum Scheitern verurteilt war. Eine Erfahrung, die weniger dramatisch, aber nicht weniger nachhaltig alle jene in Südtirol sehr wohl kennen, die, von den eigenen Diktatoren und dem italienischen Staat gleichermaßen im Stich gelassen, sich dennoch keiner ethnischen oder politischen Staatsräson unterordnen wollen und beispielsweise durch die Verweigerung der Sprachgruppenerklärung dabei bis zur Selbstaufopferung gehen.

Eine für Tirol (und insbesondere Südtirol) spezifische Tragik liegt allerdings in den Ereignissen der Franzosenzeit. Und über die könnte man im Gedenkjahr näher nachdenken.

Nämlich: seit der Niederlage der aufständischen Bauern unter Gaismair zieht sich ein verhängnisvoller und konstanter Faden durch die Tiroler Geschichte. Neuerungen, Fortschritte, Öffnungen, Anstöße werden nicht mehr aus der eigenen Kraft geleistet, sondern werden von außen an die Tiroler herangetragen. Die Aufklärung kommt auf den französisch-bayerischen Bajonetten; der Liberalismus wird durch die Wiener Behörden erst nach einem zähen und langwierigen Kulturkampf dem Land Tirol aufgedrängt; sozialistische Ideen werden vor allem im südlichen Landesteil insbesondere seit der Teilung Tirols als _walsch_ identifiziert und entsprechend leichter angeprangert und bekämpft, indem man ihnen (unberechtigterweise) die Sünden der italienischen Herrschaft in Südtirol aufrechnet und in ihnen das trojanische Pferd der Entnationalisierung vermutet.

Und dadurch, daß das Neue immer von außen kommt, läßt es sich auch leichter diffamieren und bekämpfen: nicht bloß konservative, sondern richtig reaktionäre Haltungen werden zur Bürgerpflicht des Tiroler Patrioten.

Nur einmal stieß eine _neue_ Idee von außen auf Zustimmung in Tirol, obwohl ein großer Teil des Klerus dagegen war: der Nationalsozialismus wurde seltsamerweise nicht als Fremdkörper entlarvt und abgewehrt, sondern er schien einem großen Teil der Tiroler als das gerade richtige und notwendige Gegengift gegen sozialistische und republikanische (im Norden) bzw. italienisch-nationale Bedrohung (im Süden). Der _Andreas-Hofer-Bund_, der sich in einem Miniatur-Partisanenkampf entgegenstellte, wurde aus dem Gemeinschaftsgedächtnis der Tiroler gelöscht. Das wäre also im Jubeljahr zu bedenken: wir kann es gelingen, die Kritik und Erneuerung der Tiroler Gesellschaft derart von innen zu betreiben, daß man nicht an der Fremdkörperabwehr scheitert und dennoch mit so starken Bindungen nach außen, daß man nicht von jedem beliebigen Raffl verkauft und denunziert und dank des Einverständnisses zwischen dem Kaiser und den Franzosen dann auch abgeführt und hingerichtet werden kann?

Darin liegt die Herausforderung eines _anderen Südtirol_ und auf diesem Weg ist schon so mancher Schritt getan worden.

Tandem, März 1984,
pro dialog