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Jedwabne, die durchlässige Grenze zwischen Opfern und Tätern
Was sich in Jedwabne mit seinen ca. 3.000 Einwohnern am 10.Juli 1941 abspielte, fällt auf den ersten Blick nicht aus dem Rahmen jener unzähligen schrecklichen Ereignisse, wie sie zum Alltag des Weltkrieges in Polen gehörten. Die 1.600 Juden des Ortes wurden auf bestialische Art und Weise ermordet: mit Äxten erschlagen, mit Messern erstochen, Kleinkinder ins Wasser geworfen und ertränkt, und am Ende der Großteil der noch Lebenden in eine Scheune getrieben, diese mit Benzin übergossen und angezündet. Auf dem in der Ära des kommunistischen Polen errichteten Gedenkstein stand zu lesen, sie seien von den Nazi-Besatzern getötet worden. Diese offizielle Version überlebte auch noch die Wende von 1989 als das neue Polen daran ging, nunmehr verstärkt seine von Hitler und Stalin umgebrachten „katholischen“ Opfer und Märtyrer in den Vordergrund zu stellen.
Erst seit dem Jahr 2000 wurde dieser kollektive polnische Opfermythos durch die Arbeiten von Journalisten, Filmregisseuren und vor allem den Historiker Jan T. Gross radikal in Frage gestellt. Sie verhalfen endlich der Wahrheit zum Durchbruch, nämlich daß die Jedwabner Juden von den Mitbewohnern des Ortes, sozusagen den eigenen „Nachbarn“, ermordet worden waren. Freilich unter der Aufsicht und mit stillschweigender Duldung der seit 2 Wochen im Ort präsenten Herrschaftsträger des Dritten Reiches von Wehrmacht und SS. In Berlin wußte man nur zu genau wo überall in den eroberten Gebieten Europas „kollaborationswillige“ Personen und Bewegungen zu finden waren, waren diese doch weitgehend
von den Nazis selbst seit 1933 systematisch gefördert und aufgebaut worden. Mit dem für ihn typischen kaltblütigen Zynismus hatte daher Reinhard Heydrich, der Chef des Reichssicherheitsamtes der SS, schon einige Tage vor Beginn des Russlandfeldzuges seinen Einsatzgruppen bei ihrer Menschenjagd die Anweisung gegeben: „ Den Selbstreinigungsbestrebungen antikommunistischer oder antijüdischer Kreise in den neu zu besetzenden Gebieten sind keine Hindernisse zu bereiten“. Wo immer und wenn nicht unbedingt notwendig machten sich die arischen Herrenmenschen ihre Hände nicht schmutzig, sondern überließen das Schlächterhandwerk gerne „hilfswilligen“ Handlangern. Als kleines Beispiel dafür: auch im Polizeilichen Durchgangslager Bozen waren 2 der berüchtigsten Aufseher die „hilfswilligen“ Ukrainer Otto Sain und Michael Seifert.
Mit der Frage „Kann man zugleich Opfer und Täter sein ? „. überschreibt Jan T. Gross eines der zentralen Kapitel seines Buches. Bei seiner bejahenden Antwort gibt er natürlich auch die Gründe an, die seiner Überzeugung nach das Massaker an den jüdischen Mitbürgern von Jedwabne erklären: den tief verwurzelten ( in Polen vor allem religiös verbrämten ) Antisemitismus, die materielle Gier, sich am Besitz jüdischen Eigentums zu bereichern, die stillschweigende Ermunterung durch das Besatzer-Regime und dadurch die Zusicherung der eigenen Straffreiheit. Alles Motive, die wir spätestens seit der Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht von 1995 und das Buch von Daniel Goldhagen über „Hitlers willige Vollstrecker“ von 1996 kennen und in der politischen Öffentlichkeit Deutschland und Österreichs hart diskutiert wurden. Ob sich das offizielle Polen dieser Debatte offen und ehrlich stellt oder ob es mit Abwehr und Verdrängung darauf reagiert ist noch nicht endgültig geklärt. Dass Jan T. Gross dabei auch noch die Hypothese formuliert, nicht wenige dieser Ex-Kollaborateure des NS-Regimes seien beim Aufbau der kommunistischen Herrschaft nach 1945 auf lokaler, niederster Ebene führend beteiligt gewesen, macht die politische Diskussion um das Selbstverständnis des heutigen, demokratischen Polen sowie den wissenschaftlichen Diskurs rund um die „Totalitarismusforschung“ nur noch um einiges facettenreicher.
Il libro di Jan Tomasz Gross, Nachbarn - der Mord an den Juden von Jedwabne ( München Beck 2001), è stato pubblicato in Italia da Mondatori con il titolo “I carnefici della porta accanto”, 2001, dopo che venne pubblicato in Polonia nel 2000 dalla casa editrice della Fondazione Pogranicze, suscitando un amplissimo dibattito di cui rende conto il loro sito www.pogranicze.sejny.pl, sui destini incrociati e gli itinerari paralleli tra ebrei e polacchi, una piaga ancor ancora aperta e ben lungi dall’essere cicatrizzata
(copertina del libro in polacco)