Alexander Langer Alexander Langer Schriften - Alexander Langer Ex-Jugoslawien

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Zur Tagung des Europäischen Rates in Cannes

8.6.1995, B4-0857/95 EP
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zum Abschluß der Aussprache über die Erklärungen des Rates und der Kommission eingereicht gemäß Artikel 37 Absatz 2 der Geschäftsordnung von den Abgeordneten Roth und Langer im Namen der Fraktion DIE GRÜNEN im Europäischen Parlament zur Tagung des Europäischen Rats in Cannes (26./27. Juni 1995)

Das Europäische Parlament,

- mit Blick auf die Tagung des Europäischen Rates in Cannes,

ZUM SCHEITERN DER EUROPÄISCHEN POLITIK IN BOSNIEN-HERZEGOWINA

A. im Namen Europas und seiner Bürger tief beschämt angesichts der schrecklichen Ohnmacht und widersprüchlichen politischen Haltung der Union und in der Meinung, daß die Union mitverantwortlich zu machen ist, für die brutalen Aggressionen, die ethnische Säuberung, die Verletzungen der Menschenrechte und des Völkerrechts sowie der schweren Niederlage der Vereinten Nationen, deren Soldaten inzwischen zu Geiseln geworden sind,

1. hält den Gedanken eines Rückzugs der Vereinten Nationen aus Bosnien-Herzegowina für völlig inakzeptabel, weil dies einer vollständigen Aufgabe der internationalen Legalität gleichkommen würde und die Völkergemeinschaft sich dann gezwungen sähe, der bosnischen Regierung die Mittel an die Hand zu geben, um selbst für ihre Verteidigung zu sorgen;

2. fordert eine Ausweitung des Mandats der UN-Truppen, um zumindest eine tatsächliche Verteidigung der sogenannten Sicherheitszonen zu ermöglichen und freien Zugang zu ihnen zu gewährleisten; besteht darauf, daß die Beseitigung schwerer Waffen durchgesetzt werden muß; fordert die Mitgliedstaaten der EU auf, sich ernsthaft zu engagieren, um diese Ziele zu erreichen;

3. beabsichtigt, Bosnien-Herzegowina -unter Geltendmachung von Ausnahmebedingungen -rückhaltlos die Möglichkeit eines Beitritts zur Union anzubieten, da es der Ansicht ist, daß die Verwirklichung des europäischen Gedankens mit Bosnien-Herzegowina steht oder fällt;

4. appelliert an alle Bürger Europas, ihrer Empörung angesichts der unerträglichen Situation, die im ehemaligen Jugoslawien und insbesondere in Bosnien fortdauert, zu bekunden durch zahlreiche Beteiligung - zusammen mit den Mitgliedern des Europäischen Parlaments - an der Demonstration, die am Montag, 26. Juni, unter dem Motto "In Sarajewo stirbt Europa oder ersteht wieder" in Cannes stattfinden wird;

ZUR VORBEREITUNG DER REGIERUNGSKONFERENZ VON 1996

5. hält es, wie es in seiner Entschließung vom 17. Mai 1995 zur Funktionsweise des Vertrags über die Europäische Union im Hinblick auf die Regierungskonferenz 1996 -Verwirklichung und Entwicklung der Union -gefordert hat, für notwendig, daß die zwei Vertreter des EP in der Reflexionsgruppe die dringende Notwendigkeit einer Überprüfung der Methode der Überarbeitung des Vertrags zur Debatte stellen, um diese offener und demokratischer zu gestalten und für das Europäische Parlament eine angemessene Rolle in Übereinstimmung mit dem durch den Vertrag von Maastricht eingeführten Grundsatz der Mitentscheidung einzufordern;

6. beauftragt seine Delegation in der Interinstitutionellen Konferenz, eine formelle Vereinbarung mit dem Rat und der Kommission auszuhandeln, die für das Parlament die Möglichkeit einschließt, sich in angemessener Weise am Verhandlungsprozeß und dem Prozeß der Ratifizierung des geänderten Vertrags zu beteiligen;

7. vertritt die Auffassung, daß die Reflexionsgruppe sich einsetzen sollte für eine rasche und demokratische Reform des Vertrags, insbesondere mit Blick auf die Verwirklichung folgender Ziele:

- Einbeziehung eines entschiedenen Engagements für eine umweltverträgliche und dauerhafte wirtschaftliche und soziale Entwicklung unter die Ziele der Union,

- die Schaffung einer demokratisch kontrollierten gemeinsamen Außen-, Friedens- und Sicherheitspolitik,

- einen angemessenen Schutz der sozialen Rechte und Bürgerrechte aller in der EU lebenden Personen als Grundlage für eine gestärkte Unionsbürgerschaft,

- Demokratisierung und Transparenz der europäischen Institutionen und des Entscheidungsfindungsprozessen, einschließlich der Überwindung der Pfeilerstruktur des EU-Vertrags, der Stärkung der Beteiligung der Bürger sowie der demokratischen Kontrolle sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene;

ZUR UMWELT

8. fordert die Kommission und den Rat auf, das Mandat für die Molitor-Arbeitsgruppe nicht zu verlängern, da die Arbeit dieser Gruppe zur "Vereinfachung und Einbeziehung in den Grundsatz der Subsidiarität der europäischen Rechtsvorschriften über Umweltfragen, Beschäftigung und soziale Angelegenheiten einschließlich Gesundheitswesen und Sicherheit, Nahrungsmittelhygiene und Maschinennormen" in Verschwiegenheit erledigt wurde, ohne die üblichen demokratischen Verfahren anzuwenden;


ZUR WIRTSCHAFTS- UND WÄHRUNGSUNION UND ZUR BESCHÄFTIGUNG

9. weist darauf hin, daß Wirtschaftswachstum allein keine Lösung für das Problem der Arbeitslosigkeit bringt und daß die voraussehbare Wachstumsrate für die Europäische Union mit Sicherheit nicht ausreichen wird, um eine spürbare positive Auswirkung auf die Arbeitslosigkeit zu haben;

10. begrüßt jede in sich schlüssige Initiative zur Schaffung neuer Arbeitsplätze, bezweifelt jedoch die Wirksamkeit von Strategien und Maßnahmen, die nicht die Schaffung von Langzeitarbeitsplätzen gewährleisten;

11. besteht darauf, daß der Rat auf seiner Tagung in Cannes die Notwendigkeit der Förderung neuer Arten von Arbeitsplätzen, die echte soziale und umweltpolitische Bedürfnisse befriedigen und sich auf ein angemessen reformiertes Steuersystem gründen, ernst nimmt und dabei eine neue Sicht des Problems der Arbeitslosigkeit einnimmt, die die Wirtschafts-, Steuer-, Struktur-, Sozial- und Umweltpolitik einbezieht;

12. fordert eine Steuerreform, bei der die Hauptsteuerlast von der Erwerbstätigkeit auf den Verbrauch nicht erneuerbarer Energie und die Umweltbelastung verlagert wird;

13. fordert ein Programm zur Förderung der Verkürzung der Arbeitszeit auf EU-Ebene;

14. fordert eine Reform des Kohäsionsfonds in dem Sinne, daß mindestens 50% der Ausgaben für Umweltzwecke gebunden werden;

15. betont, daß in allen Programmen, insbesondere den transeuropäischen Netzen, die bislang einer ausgewogenen, umweltgerechten und dauerhaften Entwicklung entgegenstehen, eine Verlagerung erforderlich ist, weg von der Stärkung der größten Wirtschaftsschwerpunkte hin zu einer echten dezentralisierten regionalen Entwicklung, um eine stärkere Ausprägung von Bereichen sozialer Ausgrenzung zu vermeiden; und weist auf seine Entschließung hin, in der es eine strategische Auswertung der sozio-ökonomischen und umweltpolitischen Auswirkungen der transeuropäischen Netze fordert;

16. ist darauf bedacht sicherzustellen, daß der Übergang zur dritten Stufe der Währungsunion kein Instrument der Ausschließung wird, und fordert den Rat auf, a) die formellen Kriterien für die Währungsunion durch sozial- und umweltpolitische Bedingungen zu ergänzen, die es den Mitgliedstaaten erlauben, die Arbeitslosigkeit und die Umweltzerstörung mit demselben Eifer zu bekämpfen, den sie zur Verringerung der öffentlichen Verschuldung und des Steuerdefizits an den Tag legen müssen, und b) sicherzustellen, daß eine Mehrheit der Mitgliedstaaten sowohl den Kriterien gerecht werden als auch vergleichbare wirtschaftliche und soziale Voraussetzungen erfüllen;

17. besteht darauf, daß kein Mitgliedstaat in der WWU "ausscheren" darf und niedrigere soziale und wirtschaftliche Standards aufweisen darf als von der Mehrheit der Länder beschlossen; stellt in Übereinstimmung mit den wissenschaftlichen Vorausschätzungen fest, daß die zu erwartende Wirtschaftswachstumsrate nicht ausreichen wird, um die Situation der Arbeitslosigkeit in der Europäischen Union spürbar zu verbessern;

ZUM DRITTEN PFEILER: EUROPOL

18. bekräftigt, daß der Konsultation des Europäischen Parlaments zum EUROPOL-Abkommen rechtzeitige Bereitstellung umfassender Informationen vorausgehen muß; lehnt daher die vom amtierenden Präsidenten des Rates genannte Frist von einem Monat ab;

19. bestätigt seine Entschließung vom 22. Januar 1993 zur Gründung von EUROPOL, in der gefordert wird, daß EUROPOL unter der Exekutivverantwortung der Kommission eingerichtet wird, aus dem Haushaltsplan der Gemeinschaft finanziert wird, unter die gerichtliche Zuständigkeit des Gerichtshofs gestellt wird und einen vom Europäischen Parlament eingesetzen Gremium rechenschaftspflichtig ist;

20. betont die Bedeutung der Bestimmungen betreffend die Rolle des Europäischen Parlaments (Artikel 31), die Rechte der Bürger auf Zugang (Artikel 17), Überwachung (Artikel 33) und gerichtliche Kontrolle (Artikel 37), die alle in dem derzeitigen Text des Entwurfs eines Übereinkommens nicht berücksichtigt werden; beabsichtigt insbesondere die geltenden Artikel über Datenschutz, Rechtsschutz und Zusammenarbeit mit Drittländern einer eingehenden Überprüfung zu unterziehen;

21. ersucht den Rat, das formelle Anhörungsverfahren unverzüglich einzuleiten; beabsichtigt, einen umfassenden Bericht über den Übereinkommensentwurf zu erstellen und fordert mit Nachdruck vom Rat, die Haltung des Parlaments zu berücksichtigen, bevor eine endgültige Fassung des übereinkommens verabschiedet wird;

22. bekundet, daß es mit dem Inhalt der Entschließung des Rates zu den Mindestgarantien für die Asylverfahren in keiner Weise einverstanden ist, da dieser im Widerspruch steht zum Genfer Übereinkommen von 1951 und da die Gefahr besteht, daß die Entschließung auf der nächsten Tagung des Rats der für innere Angelegenheiten zuständigen Minister am 20./21. Juni 1995 angenommen und vom Europäischen Rat in Cannes bestätigt wird;

23. fordert den Rat auf, seine Entschließung zu den Mindestgarantien für die Asylverfahren so anzupassen, daß sie mit dem Genfer Übereinkommen, mit den von Amnesty International festgelegten Mindestgarantien und mit dem im Handbuch des Hochkommissars für Flüchtlingsfragen enthaltenen Grundsätzen über die Verfahren und Kriterien zur Festlegung des Status als Flüchtling vereinbar ist;

ZUR GASP, ZU DEN MITTELMEERLÄNDERN UND ZUR ENTWICKLUNGSPOLITIK

24. ist äußerst besorgt über die bedenkliche Umweltsituation im Mittelmeerraum und weist darauf hin, daß diese Notsituation dringend in Angriff genommen werden muß;

25. vertritt die Auffassung, daß die Euro-Mittelmeer-Konferenz in Barcelona so offen wie möglich sein sollte und daß alle 5 Republiken, die aus dem ehemaligen Jugoslawien hervorgegangen sind, sowie Albanien und Libyen eingeladen werden sollten;

26. ist überzeugt, daß die Konferenz von Barcelona einen ständigen und flexiblen Rahmen abgeben sollte, damit ein langfristiger Prozeß, ähnlich dem Helsinki-Prozeß, eingeleitet wird, bei dem alle anstehenden Probleme in diesem Raum mit der erforderlichen Kontinuität und mit der langfristigen Perspektive einer Euro-Mittelmeer-Partnerschaft angegangen werden können;

27. betont die Notwendigkeit, die Nichtregierungsorganisationen der Region in die Euro-Mittelmeer-Konferenz einzubeziehen, um die Rolle der zivilen Gesellschaft bei der Forderung des Dialogs zu stärken;

28. fordert den Rat auf, sich für die Durchführung der Stufe II des Mittelmeer-Aktionsplans einzusetzen und diesen als einen der größten Beiträge zu einer umweltgerechten und dauerhaften Entwicklung der Region in die Konferenz einzubeziehen;

29. betont mit Nachdruck, daß neue Programme für den Mittelmeerraum nicht auf Kosten des finanziellen und politischen Engagements der Union in anderen Regionen der Welt (beispielsweise Lateinamerika oder Mittel- und Osteuropa) verwirklicht werden dürfen;

30. hält es für notwendig, die Transparenz der Finanzmittel der Gemeinschaft zu verbessern durch Einbeziehung des Europäischen Entwicklungsfonds in die Haushaltsstruktur der EU und durch die Schaffung eines gesonderten Kapitels für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik;

DIE REVISION VON LOMÉ IV: Achter EEF

31. bedauert, daß es den Mitgliedstaaten noch immer nicht gelungen ist, sich auf die Höhe der Dotierung des 8. EEF zu einigen, was zu Verzögerungen beim Inkrafttreten des Protokolls führen wird;

32. weist darauf hin, daß das Europäische Parlament erklärt hat, daß es keine Verringerung (zahlenmäßig) der im Rahmen des vorangehenden Finanzprotokolls akzeptieren wird, insbesondere zu einem Zeitpunkt, in dem die AKP-Staaten mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben;

33. fordert, daß der Rat bei einer Entscheidung über den 8. EEF dem Umstand des Beitritts neuer Länder zur Europäischen Union, dem Bevölkerungsanstieg in den AKP-Ländern, der Inflationsrate und den wirtschaftlichen Zwängen der AKP-Staaten (im Zusammenhang mit der Strukturanpassung, dem GATT-Abkommen und der Schuldenlast) Rechnung trägt;

ZUR SICHERHEIT

34. fordert die Kommission und den Rat auf, alle geeigneten Mittel zu nutzen, um die französische Regierung zu überzeugen, die Atomtests nicht wieder aufzunehmen, und alle Bemühungen zu unterstützen, zu einem umfassenden Atomtest-Stoppvertrag unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen zu gelangen;

35. fordert die Kommission und den Rat auf, den Forderungen des Europäischen Parlaments nachzukommen, ein wirksames gemeinsames System für die Begrenzung und Kontrolle der Waffenexporte durch die Mitgliedstaaten der Union zu schaffen;


36. fordert den Rat und die Kommission auf, bei der UN-Konferenz über unmenschliche Waffensysteme im September 1995 alle Bemühungen im Sinne eines vollständigen Verbots von Personenlandminen zu unterstützen;

37. fordert den Rat auf, alles zu unternehmen, um die Stärkung der OSZE als Instrument zur Förderung eines dauerhaften Friedens in Europa zu unterstützen;

38. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und den Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
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